Marcus Deml gilt als einer der großartigsten Gitarristen unserer Zeit. Der in Prag geborene Ausnahme Gitarrist legte Corona bedingt sein Bluesrock Projekt „The Blue Poets“ vorerst zur Seite und nutzte die Konzert freie Zeit für sein erstes Solo Album. Das rein instrumental gehaltene Album „Healing Hands“ (Review) zeigt seine enorme Kreativität, seine Gabe zu spannenden Kompositionen und vor allem sein Können als Gitarrist. Was uns der sympathische Ausnahmemusiker zu der Platte berichten konnte lest ihr nun in unserem exklusiven Interview.

Zuerst mal Gratulation zu der wirklich sehr gelungenen Scheibe. Wie kam es zu der Idee zu einer rein instrumentalen Platte?

Keine Ahnung 😉 Ich lasse die Dinge immer einfach geschehen. Ich schreibe immer Musik und spiele auch den ganzen Tag, da muss ich nur auf Aufnahme drücken. Es gibt bei mir kein Kalkül. Wenn etwas Negatives passiert, wie der Lockdown, mache ich etwas, was mich erfüllt und glücklich macht. Daher auch der Albumtitel.

Wie sind die Kompositionen entstanden, was hat dich inspiriert?

Zu jedem Song gibt es eine Shortstory im Booklet. Ich schreibe meistens über mir nahestehenden Menschen oder fiktive Themen wie bei dem Song Time Traveller. Die Grundlage sind immer die Melodien. Daran feile ich lange. Manchmal ist es aber auch nur eine humoristische Laune, etwa Hillbilly Cadence, wo ich mir einen Banjospieler vorstellte, der über Marshalllstacks spielt, 😉 Kein Song kommt von irgendwelchen Gitarristischen Übungen.

Auf dem Album gibt es sehr viele musikalische Stilrichtungen, wie kam es zu dieser Vielfalt?

Ich mag einfach Musik. Egal was das Label ist. Ich schließe dabei keine Stilistik von vornherein aus…. Wobei ich gestehen muss das das meiste neue HipHop Zeug mit extremer Unmusikalität beeindruckt;-) was aber wiederum nicht so viele Menschen zu stören scheint.  Ich höre meistens Klassik oder Jazz, wenn ich Musik Fan bin. Rockgitarristen höre ich überhaupt nicht mehr. Ich muss mir ja selber den ganzen Tag zuhören und außerdem komme ich so nicht in die Versuchung irgendwelche Licks zu klauen 😉

Wie liefen die Aufnahmen ab, hast du den anderen Musikern genaue Vorgaben gemacht oder konnten diese auch eigene Ideen einbringen?

Ich habe auf die Alben von mir zurückgeschaut, welche ich heute noch hören kann, ohne mir die Kugel geben, wie Z. B. Modern Hippie oder Error Rhythm. Die Arbeitsweise dafür ist wie folgt:  Alles wird von mir selbst gespielt und aufgenommen, bis alles wie eine fertige Produktion klingt und ich mit den Songs, deren Melodien und Arrangements zufrieden bin. Dann kommen die Spezialisten wie Ralf Gustke (Drums) Arnd Geise (Bass) und Tom Aeschbacher (Keyboards) und entweder spielen sie es genauso, was natürlich sofort besser klingt, oder machen Vorschläge, denen ich natürlich sehr aufgeschlossen gegenüberstehe. Wenn dann die Drums z.B.ein anderes Feel haben als meine Vorproduktion, muss natürlich jeder nochmal spielen…Es gab tolle Vorschläge von Tom, wie das Akkordeon oder die Klarinette bei La Gitana. Beim Outro von Time Traveller hat er einfach auf dem Klavier improvisiert und ich habe mich sofort dafür begeistert und es natürlich auf der Aufnahme gelassen, obwohl der Song schon vorbei war. Die Percussion Sektion von Si Senor von Ralf, hat den Song auf ein anderes Level gehoben. Bei Hillbilly Cadenza hat er auch einfach sein Ding gemacht, was natürlich sensationell ist.  Auch waren die Fretless Parts von Arnd eine tolle Bereicherung. Solche Weltklasse Musiker lassen natürlich alles besser klingen.

Du stehst ja bekanntlich sehr auf echte Röhrenamps und benutzt diese auch für die Aufnahmen. Hast du jemals über Plug-ins, Profiler oder Modeling Lösungen nachgedacht, die ja oft aus Gründen der Einfachheit und Zeiteinsparung von vielen Musikern zum recorden benutzt werden?

Das einzig wichtige bei der Wahl des Equipments ist, dass der Künstler sich wohlfühlt. Die ganzen Forumsdiskussionen darüber sind wirklich witzig. Ich habe nichts gegen Modeling oder Profiling. Ich finde sie aber nicht praktischer in ihrer Anwendung, nur der Transport ist viel angenehmer. Leider ist es bisher so gewesen, dass ich stundenlang editieren musste, wenn ich Modeller oder Profiler ausprobiert habe. Ich entscheide mich bei Gear innerhalb von 30 Sekunden. Egal ob Amp oder Gitarre, wenn ich lange rumdrehen muss, um einen anständigen Sound zu bekommen, lege ich die Dinge beiseite. Ich habe mein Setup über die letzten Jahre sehr reduziert. Röhren Amp, Sweet Elephant, Delay und eventuell Hall. Seit 2 Jahren suche ich Z. B. ein programmierbares Delay, welches den Grund Sound des Amps nicht verändert. Das hat scheinbar bisher keiner erfunden…es ist wirklich frustrierend…. 

Du spielst ja teils sehr alte Gitarren, aber auch nagelneue für dich gebaute. Worin siehst du in diesen beiden Varianten die Vorteile gegenüber neuen Gitarren aus der Massenproduktion?

Auch da habe ich keinen religiösen Standpunkt. Wenn eine Gitarre toll klingt, ist mir alles egal. Meine grüne Dan Smith Strat ist von 82 und nichts Besonderes. Aber sie klingt umwerfend. Bei den Gregor oder Lowe Guitars spürt und hört man die Liebe und Leidenschaft des Gitarrenbauers. Da wird es meistens schwierig für die Midprice Gitarrne mitzuhalten. Die heutigen kleineren Gitarrenbauer sind eben genauso verrückt wie ich. Sie machen erstmal das Bestmögliche, ohne sich um die wirtschaftlichen Dinge zu kümmern. 

Du hast ja seit einiger Zeit dein von dir mit entwickeltes Overdrive Pedal „Sweet Elephant“ in deinem Set up. Wie kam es zu der Idee, es gibt ja wirklich tausende Overdrive & Distortion Pedale am Markt. Ist in Zukunft in Sachen Pedale da noch mehr geplant?

Ich arbeite bereits seit einem 1 Jahr an einem neuen Pedal. Die zum Sweet Elephant ist aus Not entstanden. Ich besitze dutzende Overdrives und Distortion Pedals, aber keins machte mich 100i% glücklich. Daher fing ich mit meinen GuitarTech an zu schrauben. Nach 2 Jahren waren wir dann so weit. Der Elephant ist auch das einzige Pedal, welches ich auf der gesamten Produktion benutzt habe.

Ist es geplant zu dem Album auch Live Gigs zu spielen, falls diese hoffentlich bald wieder normal möglich sind?

Tourpläne könnten aufgrund der 4ten Welle ein wirtschaftlicher Super-GAU werden. Ich habe ca. 50 Konzerte durch die Pandemie verloren…. Nochmals kann ich mir das nicht mehr leisten. Musik hat eben nicht den gleichen Status wie Z. B. Fußball. 😉 Vielleicht werde ich aber auch nie wieder Live spielen. Durch die Pandemie habe ich alles hinterfragt. Ich war 25 Jahre auf Tour. Ich vermisse die Konzerte, aber ich hasse es mittlerweile zu reisen. Es ist ein Genuss morgens um 8.00 im eigenen Studio zu sein und Musik ohne stilistische Einschränkung spielen zu dürfen. Ich kann die Vorteile der digitalen Welt nutzen und meine Musik jederzeit veröffentlichen. Auch habe ich das Gefühl mich musikalisch weiterentwickelt zu haben. Wäre ich dauernd auf Tour, wäre das wahrscheinlich nicht passiert.

Wie ist es um die Zukunft deines Band Projektes „The Blue Poets“ bestellt. Dürfen die Fans da in Zukunft noch etwas erwarten oder wirst du deine Solokarriere betreiben?

Ich lebe im Hier und Jetzt. Die Musik von Healing Hands erfüllt mich momentan voll und ganz. Wenn die Verkäufe so weiter gehen, wird es auch meine erfolgreichste Platte 😉 offensichtlich wollten die Menschen ein instrumentales Album von mir. Was in ein paar Monaten ist, kann ich nicht sagen…

https://www.triplecoilmusic.com/

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Marcus Deml – Healing Hands

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