In dieser Artikel Serie geht es um das Handwerkzeugs beliebter Gitarristen. Welches sind ihre Lieblingsgitarren und wie ist ihr Bezug dazu. Diesmal mit Michael Rick (FLYING CIRCUS).
Wann hast du mit dem Gitarre spielen angefangen und kannst du dich noch an deine erste Gitarre erinnern? Ist diese Gitarre noch in deinem Besitz?
Ich habe relativ spät im Alter von 17 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen, das war also, äh, so circa 1986. Ich habe damals viel mit Kinder- und Jugendgruppen bei der Kirche gemacht, da war immer jemand, der oder die eine Gitarre dabei hatte und gesungen hat; das wollte ich auch. Außerdem war ich ziemlicher Metal-Fan; die Master Of Puppets von Metallica war gerade erschienen, die Tour zum Album war eins meiner ersten Konzerte, musste also sein mit der Gitarre. Meine erste Gitarre war dann aber keine E-Gitarre mit Zacken, sondern eine Yamaha Konzertgitarre mit Nylonsaiten. Damit bin ich zur Jugendmusikschule und habe Akkorde spielen gelernt. Die Gitarre steht immer noch in meinem Heimstudio, gerade fängt meine Tochter an drauf zu spielen. Meine erste E-Gitarre war dann eine stolze Hohner Stratocaster in weiß. Die habe ich schon lange nicht mehr. Ein Freund von mir hat sie mir abgekauft und ein paar Jahre später mit ins Grab genommen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Was sind deine musikalischen Einflüsse und welche Gitarristen sind deine Favoriten?
Ich hatte so ungefähr zweieinhalb Jahre Unterricht, davon ein Jahr auf der E-Gitarre. Ich habe danach selber weitergelernt (und mich „da reingesteigert“, wie eine damalige Freundin mal sagte). Ich habe viel gelernt aus Lick-Sammlungen wie „Masters Of Rock Guitar“ von Peter Fischer und bin dadurch vom Metal weg und vermehrt mit der Musik von Guitar Heroes wie Jimmy Page, Carlos Santana, Gary Moore und Eddie Van Halen in Berührung gekommen. Später dann noch mit Paul Kossoff und David Gilmour. Noch später auch noch mit John Renbourn, Bert Jansch und Werner Lämmerhirt. Was ich also bewundere und zu erreichen (oder, na ja, wenigstens zu kopieren) versuche ist: die kompositorisch rockig-bluesig-folkige Bandbreite von Jimmy Page, die Melodiösität und die (Solo-) Sounds von Carlos Santana und David Gilmour, die Virtuosität und den Speed von Gary Moore, die Explosivität und den (Rhythmus-) Sound von Eddie Van Halen und die Emotionalität von Paul Kossoff (womit ich um Himmels Willen nicht sagen will, dass die jeweils anderen die genannten Elemente nicht auch besitzen würden).
Wie viele Gitarren besitzt du und welche sind deine Favoriten?
Ich habe momentan 6 akustische und 5 elektrische Gitarren. Nicht allzuviele, finde ich.
Akustisch habe ich u.a. eine toll klingende McIlroy A-30, eine ebenfalls tolle Larrivee L-03 und live derzeit sehr gern genommen eine Takamine PTU561SP. Mit der würde ich eher nicht aufnehmen, aber live funktioniert sie einfach gut.
Ich bin glücklicher Besitzer einer Custom Shop Gibson Les Paul 1958 Reissue. Meine erste richtig gute Gitarre war eine Les Paul von 95, die auch noch in meinem Besitz ist. Als Jimmy Page- und Paul Kossoff-Fan war das klar. Irgendwann wollte ich wissen, was es mit den Custom Shop-Instrumenten auf sich hat. Und ja, aus meiner Sicht ist das ein fantastisches Instrument mit einer eigenen Stimme, toll spielbar (den etwas kräftigen Hals muss man schon mögen) und, im Gegensatz zur 95erLes Paul nicht so schwer und gut ausbalanciert. Ich spiele gerne ganz klassisch mit den Volume und Tone Potis, z.B. um den Grad der Verzerrung an den Song oder den Part anzupassen und das funktioniert hervorragend mit der Les Paul. Einige Flying Circus Songs basieren darauf und funktionieren so richtig nur mit der Les Paul.
Meine derzeit favorisierte E-Gitarre ist eine Fender American Ultra HSS Strat. Ich war im Laden und wollte eigentlich eine schwarze Maybach Les Paul ausprobieren. Raus kam ich dann also mit dieser weißen Stratocaster. Der Hals war dran Schuld, „Modern D“-Halsprofil, abgeflachter Halsfuß und „Compound-Radius“-Griffbrett. Fantastisch verrundete Griffbrettkanten und Bundenden. Spielte sich für mich von Anfang an absolut fantastisch und war letztlich der Kaufgrund. Das Instrument ist ansonsten kräftig auf meine Sound- und Spielvorstellungen hin modifiziert mit BareKnuckle Pickups, einem Vegatrem und komplett getauschter Elektronik.
Ich habe außerdem noch eine Doubleneck von Career. Die Pickups habe ich gegen (relativ günstige aber zumindest in diesem Fall empfehlenswerte) Toneriders und vor allem Brücken und Tailpieces getauscht. Letzteres hatte fast noch größere positive Auswirkung als die Pickups.
Dann noch eine schwarze Harley Benton Flying V. Sieht fantastisch aus, klingt ok und ist, was z.B. die Bundenden angeht, mäßig verarbeitet.
Was meinst du macht die perfekte Gitarre oder Verstärker aus?
Perfekt ist vielleicht die Gitarre, die Du jeden Tag aufs Neue mit Freude in die Hand nimmst, um zu üben, nach Ideen zu suchen, zu komponieren oder einfach um rum zu dudeln. Sie fühlt sich gut an, sie klingt so wie Du willst und sie sieht gut aus. In dieser Reihenfolge. Spielgefühl und insbesondere der Hals sind mir dabei im Laufe der Jahre immer wichtiger geworden. Der perfekte Verstärker ist derzeit mein Kool Amplification Marvell mit zugehöriger 2×12 Box. 2 Kanäle, clean bis high-gain, FX-Loop, 2 Mastervolumes. Der Amp ist für mich deswegen so gut, weil ich damit (mit ein paar zusätzlichen Pedalen) alle Sounds abdecken kann, die mir vorschweben. Immer dynamisch und nuanciert. Und das funktioniert dank implementiertem Attenuator in (fast) jeder Lautstärke.
Was denkst du über die Frage Röhrenamp oder Modeler?
Ist für mich kein entweder/oder. Ich hatte einen line6 pod 1 kurz nachdem der herauskam, und ich habe dabei wahnsinnig viel über Verstärker und Effekte gelernt, die ich mir sonst nie im Leben alle hätte leisten können. Ich besitze derzeit einen line6 pod go und auch hier erweitert es die Kenntnisse enorm, bekannte Sounds nachzustellen oder zu wissen, welcher Amp sich für welche Sounds anbietet. Alleine dafür lohnt sich das aus meiner Sicht. Der pod go ist ebenfalls toll zum schnellen festhalten von Ideen und für bestimmte Probensituationen, bei denen über in-ear gespielt wird. Riesenverbesserung bringen dabei für meine Begriffe noch IR-Cabs. Die Vielfältigkeit von Modelern empfinde ich dabei als Fluch und Segen: Toll, wie detailliert man an Sounds rumschrauben kann. Man kann aber auch sehr viel Zeit damit verplempern, das Ding zu tweaken, sich Tutorials auf YouTube anzuschauen oder sich mehr oder weniger gute Presets runterzuladen – statt Musik zu machen. Live spiele ich nicht über in-ear, mein Gitarrenmonitor ist die Gitarrenbox. So kommt für mich das beste Spielgefühl auf. Den Modeler auf ganz normale Monitore zu legen klingt für mich nicht gut. Die teure Investition in womöglich besser geeignete Monitoring-Systeme finde ich für mich nicht sinnvoll, da kann ich gleich auch meine Gitarrenbox schleppen. Zumindest beim in-ear spielen sehe ich allerdings ganz klar auch die Vorteile von Modelern, vor allem bei Konzerten mit wenig Zeit für Aufbau und Soundcheck von wenig Equipment und trotzdem dem eigenen und immer gleichen Sound. Grundsätzlich ist für mich insbesondere Dynamik und physisches Erleben eines lauten Röhrenverstärkers und die Interaktion zwischen Gitarre und Verstärker mit einem Modeler letztlich mit nichts vergleichbar. Altmodisch. Aufnehmen würde ich daher immer in erster Linie mit dem mikrofonierten Amp und den Modeler höchstens für Overdubs benutzen. Das halte ich aber nicht für allein selig machend und hängt je nach Nutzungssituation von vielen Faktoren ab.
Welche Gitarren und Amps benutzt du für Aufnahmen?
Alle, die ich hier aufgelistet habe. Ich habe für die Songs von Flying Circus oft eine bestimmte Soundvorstellung und wähle die Gitarre danach aus. Als Amp kommt außer dem Marvell noch ein zweiter Kool dazu namens „11“, das ist ein Einkanaler in Marshall-Plexi Tradition. Und ein Orange GRO 100 aus den 70ern, den hat mir mal jemand sehr Nettes nach einem Gig geschenkt. Tonnenschwer, ohne Attenuator Körperverletzung und für Clean- und Crunch-Sounds absolut fantastisch.
Wenn du nur eine einzige Gitarre auswählen dürftest, welche würdest du nehmen?
Hm. Nee, also da wüsste ich jetzt niemand, von dem ich mir das sagen ließe. Wenn’s bei mir brennen würde, würde ich ganz klar zuerst in mein Heimstudio rennen und ALLES raus tragen. Also, zuerst würd ich natürlich Frau und Kind retten. Obwohl die ja auch selbst laufen können. Und wenn Ihr Euch auf den Kopf stellt: Ich wähl nicht nur eine aus! Ich könnte mich schon zwischen elektrischer und akustischer Gitarre nicht entscheiden. Die Instrumente haben alle ihre ganz eigenen Vorzüge. Auf der einen funktioniert dies besser, auf der anderen jenes. Die eine inspiriert hierzu, die andere dazu. Mit der einen kann ich diesen Sound erreichen, mit der anderen jenen. Vielleicht nehm‘ ich das zu ernst, aber das macht mich depressiv, mir eine Situation vorzustellen, in der ich mich für eine entscheiden müsste. Als ob nicht schon alles schlimm genug wäre.
Ein Äffchen, wie es im Buche steht, könnte man meinen. Für mich einer (wenn nicht der) beste Amateur-Guitarrero überhaupt. Der kann richtig was, auch außerhalb von Rock und Prog. Und ein töfter Typ ist er auch noch…..